Hub Ostafrika: Interview

Klimawandel verschärft Konflikte und verursacht Leid

Der Hub Ostafrika startete mit seinen Aktivitäten in Kenia und expandierte 2022 nach Madagaskar. Der Schwerpunkt der laufenden Projekte in beiden Ländern liegt auf der Identifizierung und Umsetzung transformativer Massnahmen, die Naturschutz und die Bedürfnisse der Menschen vor Ort in Einklang bringen.

Benson Okita

Dr. Benson Okita

Direktor des Hubs Ostafrika, seit April 2022 bei der Wyss Academy

Wie sind Sie zur Wyss Academy gekommen – oder ist die Wyss Academy zu Ihnen gekommen?

Bevor ich zur Wyss Academy gestossen bin, habe ich für den Kenya Wildlife Service und bei Save the Elephants gearbeitet. Das Hauptaugenmerk lag auf dem Schutz bedrohter Arten. Dabei ist mir klar geworden, dass diese Arten nicht erhalten werden können, wenn sie isoliert betrachtet werden, sondern nur unter Berücksichtigung der Menschen und gesunder, funktionierender Lebensräume. Die Wyss Academy betrachtet den Naturschutz ganzheitlich. Diese neue Sichtweise und die Möglichkeit, meine Erfahrung an die nächste Generation weiterzugeben, motivieren mich sehr. Ich kann meine wissenschaftlichen Kenntnisse über Wildtiere weitergeben und mit neuen Kolleg*innen teilen. Der Einbezug aller Parteien in den Co-Design Prozess für die Entwicklung von Projekten, bevor es an die Umsetzung geht, ist eine sehr effektive Herangehensweise.

East Africa Interview

Sie sind seit 2022 Teil des Teams. Welchen Schwerpunkt wollen Sie als neuer Leiter des Hubs setzen?

In unserem Land verursacht der Klimawandel viel Leid und verschärft bestehende Konflikte. Wir müssen rasch handeln, um eine sichtbare Wirkung zu erzielen. Als Erstes muss ich ein Team aufbauen. Unser Team im Hub wird bald vier aktive Mitglieder umfassen. Ausserdem müssen wir Instrumente und Prozesse etablieren, damit wir effizient arbeiten können. In unserer Landschaft gibt es viele Akteure, die an ähnlichen Themen arbeiten. Wir tauschen uns mit ihnen aus und versuchen Synergien zu schaffen. Die Frage ist: Wie können wir einen möglichst grossen Beitrag leisten, um die Lebensbedingungen der Menschen und den Naturschutz entscheidend zu verbessern? Wir wollen Massnahmen evidenzbasiert umsetzen, das heisst, dass von Anfang an ein Monitoring stattfinden muss. Wir erheben Daten, analysieren sie, bauen eine Wissensplattform auf und stellen sie für die Entscheidungsfindung zur Verfügung. Es muss uns gelingen, zum Kern jedes Problems vorzudringen, um Lösungen zu finden, die wirklich etwas bewirken.

East Africa Interview

Foto: Samira Stalder

Kenia und Madagaskar: Warum gerade diese beiden Länder?

Einige meiner Kolleg*innen haben in Madagaskar gearbeitet und Landnutzungsprobleme identifiziert, die Lösungen brauchen. Aufgrund der geringen Grösse hat Madagaskar ganz spezifische Herausforderungen zu bewältigen, beispielsweise die Maximierung der Erträge auf kleinen Anbauflächen. Die Menschen müssen ausreichende Einnahmen erwirtschaften können aus ihren kleinen Landwirtschaftsbetrieben. Eine der Fragen, die uns interessiert, lautet: Wie kann ihre Lebensgrundlage durch unternehmerisches Handeln verbessert werden? Wir glauben, dass mithilfe des Wissens, das wir aus unserer Tätigkeit dort erwerben, anschliessend bis zu einem gewissen Grad auch die Landnutzung in Nordkenia verbessert werden kann. Da wir noch kein Büro in Madagaskar haben, entwickeln wir unsere Projekte in Partnerschaft mit der Universität Antananarivo. Dort hilft man uns auch dabei, ein digitales Publikum noch besser zu erreichen. Es ist uns sehr wichtig, über das Smartphone junge Menschen anzusprechen, denn sie sind es, die die Zukunft gestalten werden.

East Africa Interview

Foto: Alexander Leuenberger

Kenia steht im Zentrum eines interdisziplinären Projekts zum Thema Wassermangel. Können Sie uns mehr darüber erzählen?

Wasser ist eine Ressource, die von unzähligen Parteien genutzt wird, beispielsweise von Wildtieren, Viehzüchter*innen, Privathaushalten und Industriebetrieben. In der Region rund um den Mount Kenya, wo wir tätig sind, ist Wasser ein äusserst knappes Gut. Quellen und Wassereinzugsgebiete werden oft von verschiedenen Parteien mit unterschiedlichen Interessen gemanagt. Das führt zu Konflikten zwischen lokalen Gemeinschaften und Wildtieren. Wir versuchen zu verstehen, ob diese Knappheit beispielsweise durch den Klimawandel, die Landnutzung oder ein mangelhaftes Wassermanagement verursacht wird. Um den Wassermangel zu lindern, versuchen wir unter anderem, Lösungen zur Wassergewinnung zu entwickeln, beispielsweise das Auffangen von Wassertropfen aus Nebelwolken. Hierzu sind neue technische Methoden erforderlich. Unsere Aufgabe ist es, die entsprechende Expertise zu finden und geeignete Ingenieur*innen in das Projekt einzubinden. Die Entwicklung von Lösungen zur Überwindung der Wasserknappheit ist immer eine multidisziplinäre Aufgabe.

Wie sind Sie bei der Erstellung eines räumlichen Inventars empfindlicher und lebenswichtiger ökologischer Ressourcen in den semiariden Regionen Kenias vorgegangen?

Wir verfügen über weite Landschaften mit wichtigen biologischen Ressourcen wie Quellen, Wäldern, Feuchtgebieten und Wildtier- und Viehkorridoren. Heute werden diese Ressourcen vorwiegend von denjenigen genutzt, die zuerst vor Ort sind. Das führt zu Konflikten und verschärft im Fall von Quellen die Wasserknappheit. Wenn die für die Artenvielfalt wichtigen Ressourcen nicht besser bewirtschaftet und geschützt werden, wird es zu einer weiteren Verschärfung der Wasserknappheit und zu noch mehr Konflikten kommen – und der Teufelskreis geht weiter.

Die National Land Commission hat die Wyss Academy um Unterstützung bei der Kartierung biologischer Ressourcen gebeten, damit sie diese in einem nächsten Schritt schützen kann. Es ist wichtig, Rechtsinstrumente zu haben, die den Gemeinschaften einen Rahmen vorgeben und sie dazu motivieren, gemeinsam Regeln festzulegen. In Zusammenarbeit mit den Gemeinschaften hat die Wyss Academy bereits die biologischen Ressourcen in zwei kenianischen Countys kartiert. Da wir nun über zwei erfolgreiche Beispiele verfügen, wird es einfacher, dieses Kartierungskonzept auf andere Regionen auszuweiten. Im semiariden Raum gibt es über dreissig Countys, deren natürliche Ressourcen kartiert werden müssen. Wir müssen schnell sein, damit die biologischen Ressourcen in dieser empfindlichen Landschaft erhalten werden können.

East Africa Interview

Foto: Timon Lanz

East Africa Interview

Foto: Samira Stalder

Challenge 1

Wohlhabendere Menschen in gesünderen semiariden Landschaften

Mehr lesen

Challenge 2

Intakte Feuchtgebiete als Lebensgrundlage für Menschen und Wildtiere

Mehr lesen

Challenge 3

Dank Biodiversitäts-Hotspots das Leben der Menschen verbessern

Mehr lesen