Hub Südostasien: Interview
Laos: Grosses bewirken durch eine positive Transformation
Ziel des Hubs Südostasien ist es, lokalen Gemeinschaften eine Stimme zu geben und im Co-Design Projekte zu entwickeln und umzusetzen, die ihren Bedürfnissen gerecht werden und die Trends zur Homogenisierung der Landschaft und zum Biodiversitätsverlust umkehren.
Andreas Heinimann
Leiter der regionalen Stewardship Hubs, seit November 2020 bei der Wyss Academy
Eine Ihrer derzeitigen Aufgaben ist die Rolle des Wegbereiters und Vermittlers im Hub Südostasien. Haben Sie eine besondere Verbindung zu dieser Region?
Da ich seit über zwanzig Jahren in und mit Südostasien arbeite und meine Kinder zum Teil dort aufgewachsen sind, habe ich eine sehr persönliche und emotionale Bindung an diese Region und die Menschen dort. Wenn man diese Verbindung hat, sieht man viele Dinge aus einem anderen Blickwinkel und ist in der Region verwurzelt. Ich habe die grossen Veränderungen in der Landnutzung und Infrastrukturentwicklung in Laos seit Ende der 90er-Jahre hautnah miterlebt. Mit dem neu gebauten chinesischen Hochgeschwindigkeitszug reist man jetzt in zwei Stunden von Vientiane nach Luang Prabang. Noch vor wenigen Jahren brauchte man für dieselbe Strecke mit dem Auto sieben Stunden. Natürlich besteht ein Bedarf an Infrastrukturentwicklung, aber häufig gibt es nur einige wenige Gewinner*innen und zahlreiche Verlierer*innen. Die makroökonomische Entwicklung in Laos ist atemberaubend und die Armutsquote geht zurück, gleichzeitig steigt jedoch die Ungleichheit.
Foto: Anne Fritzenwanker, @Travelbee_photo
Laos gehört weltweit zu den Ländern mit der grössten biologischen Vielfalt. Können Sie uns erzählen, was Sie dort vorgefunden haben?
Neben verbleibendem altem Waldbestand in geschützten Gebieten verfügt Laos über zahlreiche biologische Ressourcen in seinen immer noch ausgedehnten vielfältigen und abwechslungsreichen Landschaften. Dazu gehören die kleinbäuerliche Landwirtschaft, Sekundärwälder und aquatische Ressourcen. Wir nennen es eine multifunktionale Landwirtschaft, da sie vielen Akteur*innen auf lokaler wie auch auf globaler Ebene zahlreiche und vielfältige Ökosystemdienstleistungen zur Verfügung stellt. Die Entwicklungslogik des lokalen politischen Systems setzt jedoch noch immer auf die wirtschaftliche Entwicklung und die Umwandlung von Land in Kapital. Die multifunktionalen Landschaften werden bei diesem Ansatz stark unterbewertet. Laos hätte die einzigartige Chance, diese Landschaften zu erhalten, anstatt, wie in vielen Ländern geschehen, nach dem Motto «erst entwickeln, später aufräumen» zu handeln. An der Wyss Academy wollen wir etwas bewirken, indem wir konkrete Ansätze für einen alternativen Weg untersuchen und ausprobieren.
Foto: Anne Fritzenwanker, @Travelbee_photo
Foto: Anne Fritzenwanker, @Travelbee_photo
Im Hub Südostasien gab es einige Entwicklungen. Wie ist der aktuelle Stand?
Der Hub Südostasien ist der jüngste der vier regionalen Hubs. Die Covid-19-Massnahmen in Laos gehörten zu den strengsten der Welt. Die Grenzen waren bis Mai 2022 komplett geschlossen, und wir konnten nicht ins Land einreisen. Digitale Besprechungen haben beim institutionellen Aufbau eines Hubs und beim Aufbau von Partnerschaften nur einen begrenzten Wert. Während dieser Zeit haben wir einige kleinere Aktivitäten gestartet. Wir haben zum Beispiel mit einer Organisation in Thailand zusammengearbeitet, um neue Wege zu finden, damit kleine Landbesitzer in einer Mais-Monokulturlandschaft wieder einheimische Mehrzweckbäume pflanzen. Diese Lösung fördert die Heterogenität der Landschaft und bringt Vorteile für Menschen und Natur.
Heute freuen wir uns sehr, dass wir eine Aufnahmevereinbarung mit dem Regional Community Forestry Training Center für den asiatisch-pazifischen Raum (RECOFTC) abgeschlossen haben. Es handelt sich dabei um eine regionale Organisation, in deren Vision die lokalen Gemeinschaften eine zentrale Rolle spielen und die die Wälder im asiatisch-pazifischen Raum aktiv bewirtschaftet, um einen optimalen sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Nutzen zu erzielen. Unsere Organisationen passen sehr gut zusammen, und mit dieser lokal anerkannten Organisation haben wir nun eine Rechtsgrundlage für unsere Tätigkeit in dieser Region. Im nächsten Schritt werden wir Mitarbeitende einstellen, dann wird sich wirklich etwas bewegen.
Foto: Anne Fritzenwanker, @Travelbee_photo
Eines der strategischen Forschungszentren der Universität Bern, das Centre for Development and Environment (CDE), ist ein zentraler Partner in der Region. Inwiefern bauen Sie auf dessen Wissen auf?
Ich war in Laos lange für das CDE tätig, bevor ich zur Wyss Academy stiess. Das CDE engagiert sich stark in der Entwicklungsforschung und an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Politik. Zudem geniesst das CDE in der Region ein hohes Ansehen. Ich würde sogar sagen, dass es beim Aufbrechen von Silos im Bereich Daten- und Wissensaustausch führend ist. Man weiss dort, wie man mit verschiedenen Ministerien und zahlreichen Online-Datenplattformen zusammenarbeitet. Die Antwort ist also: Ja, wir werden weiterhin mit dem CDE zusammenarbeiten, wenn der Aufbau unseres Hubs abgeschlossen ist. Das CDE ist ein wertvoller Wissenspartner für unser Engagement, und wir sind davon überzeugt, dass wir durch den Austausch unserer Erfahrungen noch mehr bewirken können.
Warum ist es wichtig, Partner aus dem Privatsektor mit einzubinden?
Innovation kommt nicht zwangsläufig aus der Wissenschaft. Häufig stammt sie von Unternehmer*innen, die zwischen Wissenschaft und Praxis stehen. Der Privatsektor, insbesondere das soziale Unternehmertum und Start-ups, sind eine riesige Innovationsquelle. Natürlich müssen wir mit Risiken wie Greenwashing umgehen, aber das Innovationspotenzial ist gross und wir wollen es unbedingt nutzen. Einer unserer Partner ist Brainforest, ein Venture Studio für Wälder und das Klima. An der Wyss Academy entwickeln wir mit Unterstützung von Brainforest und anderen Partnern aus dem Privatsektor derzeit einen Mechanismus für Innovationsfonds. Sie haben viel mehr In-House-Erfahrung als wir, und wir sehen viele gegenseitige Vorteile. Der Innovationsfonds wird 2023 in einer Pilotphase getestet und in den Hubs eingeführt. Hier sehe ich das Potenzial für eine positive Transformation, die Grosses bewirken kann.